Heimweh – und seine Gegenmaßnahmen

 

Ich dachte immer, Heimweh kriegen nur kleine Drittklässler, wenn sie zum ersten Mal im Schullandheim sind. Da helfen dann meist „Heimwehpillen“ (Smarties) und Ablenkung. Aber ich durfte erfahren, dass auch gestandene, 54-jährige Frauen sich nach zu Hause sehen können. Nach Mann und Kind und Katz und Haus. Als Svenja abfuhr, hat`s mich gewaltig gerissen. Mein Kind ist weg! Das geht doch GAR NICHT! Kind gehört zu Mama – Mama gehört zu Kind – Basta! Aber wenn das Kind halt schon fast 19 Jahre alt ist, dann sieht es dies ein bisschen anders… Jedenfalls – Svenja verschwand im Bus und der Bus verschwand um die Ecke und Mama blieb weinend stehn am Strand. War echt nicht lustig. Erst einmal reagierte ich mich mit einer Großwäsche (Kleidung) ab. Dabei ist Muskelkraft gefragt. Und ein stabiles Handgelenk (beim Auswringen). Jedenfalls kann man sich dabei austoben und spart sich seine Terrabandübungen. Danach lief ich noch durch die Lande – wobei mich das weniger erquickte. Muss überall so viel Müll rumliegen??? Daran kann ich mich einfach nicht gewöhnen! Die ganze Woche war ich finster drauf. Haben die anderen aber nicht bemerkt. Die Kinder in der Schule lenken ja auch wunderbar ab vom wunden Herzen… Erschwerend kam dazu, dass ich den Eindruck hatte, dass die Kinder nach meiner zweiwöchigen Abwesenheit ALLES vergessen hatten, was ich ihnen in 6 Wochen versucht hatte, beizubringen.

 

„How are you?“ „Fine, thank you!“ „What`s your name?“ „My name is…“ Ich hätte gerne gehabt, dass sie zu beiden Fragen die jeweils passende Antwort finden.  Ein Ding der Unmöglichkeit. Nach 6 Wochen!!!

 

Mich befiel immer wieder der ungute Gedanke „Was mache ich hier eigentlich?! Warum bin ich hier und nicht in den Armen meines Mannes oder Kindes oder in den Pfoten unserer Katze oder in Italien oder warum laufe ich nicht gerade den Camino in Spanien oder…?“ In meinem Sabbatjahr hätte ich doch alle Möglichkeiten der Welt! Aber ich habe mir diese ausgesucht. Und sie ergibt Sinn. Großen sogar. Aber der erfüllt sich eben erst nach einiger Zeit. Die Kinder lernen nicht von heute auf morgen. Und sie haben es verdient, dass ihnen die Möglichkeit dazu gegeben wird. Und ich erweitere meinen Horizont. Wenn ich ihn auch nicht immer erkenne.

 

Ich habe schon bei anderer Gelegenheit bemerkt, dass ich mich umso mehr meinem Land verbunden fühle, je weiter und länger ich davon entfernt bin. Da treiben mir Packungen mit der Aufschrift „Prinzenrolle“ oder „Haribo“ oder „Milka“ wahrhaftig Tränen in die Augen!

 

Am Wochenende beschloss ich, selbst mehr zu unternehmen und die Umgebung so weit wie möglich eigenständig zu erkunden. Die Kollegen haben alle Kinder und Hütten und Arbeit und ich möchte sie nicht zusätzlich belasten. Also – selbst ist die Frau! Gleich in der Früh ließ ich mich von einem „Tuk-Tuk“ zum Bad „Paxeju“ fahren. Klang vielversprechend: warme Quellen in Laufnähe der Stadt! Beides richtig. Allerdings führt der Fußweg erst durch eine Müllhalde und endet in einem nicht minder schmutzigen Bad. An diesem Tag war es auch noch übervölkert. Als ich im Wasser die Abfälle schwimmen sah, ließ ich meine Klamotten an und machte mich schnurstracks auf den Heimweg. Ganz schnurstracks war er allerding nicht. Ich mäanderte ein wenig den Berg hinauf und fand dann meinen Weg wieder in die Stadt. Dabei entdeckte ich ein Viertel, das mir zuvor noch entgangen war. Das war dann auch ganz schön und interessant. Als Entschädigung wollte ich nach San Bartolo fahren. Dort soll es ein sauber(er)es Bad geben. Allerdings fahren dort keine Busse hin. Also eben nicht. Dafür fuhren Dolores, Jari, Antonio und ich am Nachmittag wiederum per „Tuk-Tuk“ zum Bad „Palachiquita“. Eigentlich wäre das ein sehr schönes Bad – in einem Bergtal, umgeben von Palmen und kleinen Wasserfällen. Nur leider schwimmt wieder Müll im Pool...